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Freitag, 26. Juni 2009

Stotternde Piloten

Ein Student mit Ambitionen wies mich heute auf diese beiden Links hin:

Yahoo-Forum und PPRuNe-Forum

Leider auf Englisch.

Zusammenfassend: Ja, auch Stotterer können Piloten werden!

Samstag, 6. Juni 2009

Forschung und Therapie

Bildgebende Verfahren ermöglichen es inzwischen, die beim Sprechen beteiligten Prozesse im Gehirn präziser zu beschreiben. Jetzt wissen wir: Beim Stottern sind andere Regionen im Gehirn aktiviert als beim flüssigen Sprechen.

Was genau ändert sich damit? Man kann hoffen, dass mit dieser Erkenntnis die vermeintlich guten Ratschläge a la "Atme ruhig! Entspann Dich" und die entsprechenden Therapien ein für allemal ein Ende haben.

Wir wissen allerdings nichts über die Ursachen dieses Befunds. Und was ändert sich für den Alltag der Stotternden?

Vorher: Ein Stotterer stottert in bestimmten Situationen, in anderen spricht er symptomfrei. Um eine größtmögliche Symptomfreiheit zu erreichen, muss er eine logopädische Therapie durchlaufen. Oder sein Ziel ist es, sein Stottern anzunehmen - also an den Symptomen selbst nichts zu ändern, sondern seinen Umgang damit. Dafür reicht eine Psychotherapie.

Nachher: Ein Stotterer stottert in bestimmten Situationen, in anderen spricht er symptomfrei. Um eine größtmögliche Symptomfreiheit zu erreichen, muss er eine logopädische Therapie durchlaufen. Oder sein Ziel ist es, sein Stottern anzunehmen - also an den Symptomen selbst nichts zu ändern, sondern seinen Umgang damit. Dafür reicht eine Psychotherapie.

Sonntag, 10. Mai 2009

Erfolgreiches Marketing

Eines von vielen Beispielen für gelungenes Marketing eigener Produkte ist die Zusammenarbeit von Prof. Katrin Neumann und Dr. Wolff von Gudenberg, wie hier im WDR beschrieben.

Nach 20-jähriger Therapie-Odyssee hat er 1996 die ursprünglich amerikanische Therapieform des „Fluency Shaping“ in Deutschland eingeführt und als Kasseler Stottertherapie (KST) weiter entwickelt.


Ist das "Fluency Shaping" tatsächlich eine Methode aus Amerika, bzw. den USA (Lateinamerika wird wahrscheinlich nicht gemeint sein)? Und wenn es zutrifft, dass Gudenberg 1996 mit seiner therapeutischen Arbeit begonnen hat, dann war zumindest Oskar Hausdörfer schon schneller. Sein Werk "Durch Nacht zum Licht" wurde bereits 1933 in 4. Auflage veröffentlicht, wie Arno Markmann schreibt.

Weiter aus dem WDR-Bericht:

Während Nicht-Stotterer beim Sprechen Gebiete in der linken Hirnhälfte aktivieren, sind es bei Stotterern Regionen in der rechten Hirnhälfte. Das Gehirn versucht, die Schwäche zu kompensieren. Nach einer erfolgreichen Stotter-Therapie, der Fluency-shaping-Therapie, konnten die Wissenschaftler bei den untersuchten Stotterern jetzt Aktivierungen im Gehirn nachweisen, die nun in linksseitigen Sprachgebieten lagen. Die Forscher werten dies als Beleg für die Effektivität einer dauerhaften Stottertherapie nach dem Fluency-shaping-Prinzip.


Über Effekte von Therapien nach dem Non-Avoidance-Ansatz gibt es leider noch keine naturwissenschaftlichen Befunde, insofern ist hier auch keine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit möglich. Vielleicht haben solche Therapieansätze das auch gar nicht nötig?

Mittwoch, 6. Mai 2009

Stottern und Beruf - Der ÖBS

ÖBS - das Kürzel für "Öffentlicher Beschäftigtensektor". Synonym: "Dritter Arbeitsmarkt". Mehr Informationen dazu in der FAZ, im Handelsblatt und auf Labournet.

Dieser Sektor wird in Deutschland seit 2007 auf kommunaler Ebene geschaffen für Erwerbsfähige, die als chancenlos eingestuft werden, jemals ein so genanntes "Normalarbeitsverhältnis" zu erlangen. Deutlich vorangebracht von der Großen Koalition, also CDU und SPD, schreiben sich die erfolgreiche Einführung des "Dritten Arbeitsmarktes" inzwischen auch die selbsterklärt linken Parteien "Grüne" und "Die Linke" auf die Fahne.

Der vollständige Text der Richtlinien zur Umsetzung des ÖBS auf der Site der Arbeitsagentur.

Mir war diese deutsche Version des "Workfare"-Konzepts bis gestern vollkommen unbekannt und die Leserin mag sich fragen, was das mit Stottern zu tun haben soll.

Wer aufgrund seines Stotterns einen Behindertenausweis zugestanden bekommt, hat damit auf der Liste der erforderlichen so genannten "multiplen Vermittlungshemmnisse" schon einen Haken. Um eine ÖBS-Stelle zugeteilt zu bekommen, braucht es allerdings ein weiteres "Vermittlungshemmnis". Zu den Details der Praxis in Berlin aus Sicht der Verantwortlichen siehe die Senats-Site zum Thema. Die Realität vor Ort ist allerdings etwas anders, wie Medienberichte seit 2007 zeigen.

Die Tatsache, dass sich Bund und Kommunen von der Idee der Integration in den "Ersten Arbeitsmarkt" verabschieden und nun mit finanzieller Unterstützung der EU zu einer Verfestigung einer "chancenlosen" Unterklasse übergehen und damit auch den Niedriglohnsektor ausweiten, ist an sich schon erschreckend. Zudem ist der Zusammenhang mit dem Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst und den Einsatzbereichen der ÖBS-Stelleninhaber gerade in Berlin augenfällig.

Ambivalent sehe ich es, dass Stotternde ebenfalls in den Genuss dieser Maßnahme kommen. Ist der ÖBS in den Augen seiner Nutznießer nichts anderes als eine neue ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) oder eine neue MAE (Mehraufwandsentschädigung, im Volksmund "Ein-Euro-Job")?

Nur, wie wirkt sich das langfristig aus? Verwirrend ist das Ganze in Bezug aufs Stottern auch deswegen, weil es ja nicht wenige Stotternde gibt, die auf dem "Ersten Arbeitsmarkt" bestehen.

Samstag, 2. Mai 2009

Beruflich erfolgreich mit Stottern?

Der Anbieter der so genannten Kasseler Stottertherapie und Facharzt für Allgemeinmedizin, Alexander Wolff von Gudenberg, meinte gegenüber der Presse:

In den USA kann man trotz Stotterns sogar Professor werden. In Deutschland habe ich als Betroffener nicht einmal meine Zusatzqualifikation als HNO-Arzt machen können. (...) Wer eine Redeflussstörung hat, fällt in Deutschland durch alle Raster.


Zitat hier.

Das war allerdings vor drei Jahren, aus Anlass des Welttags des Stotterns.

Aber auch damals kannte ich schon einige erfolgreiche Stotterer, die ihre Berufe in Branchen wie Architektur, IT, Forschung und Lehre in Natur- und Kulturwissenschaften (ja, auch ein Universitätsprofessor darunter), Journalismus, Maschinenbau ausüben. Dann wären da noch Prominente wie F.C. Delius zb.

Ich habe mich schon oft gefragt, was es braucht, um als Stotterer trotzdem seinen Weg zu gehen. Ist es eine Frage der Schwere der Symptomatik? Ist es eine Frage des unterstützenden sozialen Umfelds, der sozialen Herkunft?

Vor Jahren gab es im Kieselstein, Organ der deutschen Selbsthilfe-Organisation BVSS e.V., einige Artikel zum Thema "Stottern und Beruf". Auffallend war da, dass es bei den Männern bei der Berufswahl offenbar kein größeres Problem darstellte, zu stottern. Anders bei den porträtierten Frauen. Aber: meine persönlichen Begegnungen in der Stotterer-Selbsthilfe sprechen eine andere Sprache. Von den wenigen Frauen, die frau im Verein antrifft, ist ein hoher Anteil sehr gut ausgebildet und auch dementsprechend beschäftigt.

Das deckt sich wiederum mit Erkenntnissen aus der Migrationsforschung: Frauen aus benachteiligten Gruppen sind besser ausgebildet als die Männer aus der gleichen Gruppe. Hm - und was ist mit Befunden der Elitenforschung? Frauen auf leitenden Positionen sind ebenfalls besser ausgebildet als ihre männlichen Kollegen und erbringen eine höhere Arbeitsleistung.

Verschiedene Rückschlüsse sind möglich:

* Stottern wirkt wie jede andere Benachteiligung bei Frauen ehrgeizfördernd.
* Erfolgsgeschichten von weiblichen Stotternden sind für den verantwortlichen Kieselstein-Redakteur uninteressant gewesen oder wurden einfach nicht eingesandt.
* Unter organisierten Stotterern finden sich überdurchschnittlich viele beruflich erfolgreiche Frauen.

Und was ist mit dem Faktor soziale Herkunft? Die erfolgreichen Frauen, die ich in der Szene der Selbsthilfe kennenlernte, würde ich aufgrund des sozialen Umfelds, in dem sie aufgewachsen sind, in die Kategorie Bildungsbürgertum einordnen. Sie wären also eh dort gelandet, wo sie nun gelandet sind - hatten allerdings durch das Stottern mehr Hemmnisse auf ihrem Berufsweg. Der von Soziologen so genannte Habitus, die persönliche Haltung, begünstigt die Verfolgung der eigenen Ziele.

Dagegen ist ein sozialer Aufstieg, das heißt: die Verbesserung der sozialen Position der Familie (ausgehend vom ausgeübten Beruf und von den Ressourcen der Eltern), mit einer Behinderung deutlich erschwert. Ich kenne keinen. Beeindruckt war ich von der Geschichte einer stotternden Migrantin in den USA, die den Aufstieg über ihr Medizinstudium schaffte - allerdings räumt sie ein, dass sie erst, als das schon geschafft hatte, ihr Stottern zeigte und daran arbeitete. Vorher vermied sie ihr Stottern erfolgreich.

Was sich wiederum deckt mit "Erfolgsgeschichten" solcher Art wie die von Anne Will: Jeder kann es schaffen, wenn er auf dem Weg zum Ziel sein Handicap verbirgt: also in der Zeit der Unsicherheit als "normal" durchgeht. Hm - daran sehe ich allerdings nichts Emanzipatives, im Gegenteil...

Freitag, 1. Mai 2009

Wolke 9

In der AKTION MENSCH-Kuratoriumssitzung vom 09.10.08 wurde das vom Landesverband Stotterer-Selbsthilfe NRW e.V. beantragte Lehrfilmprojekt „Stottern im Alter“ positiv bewilligt. Innerhalb eines Jahres wird in Kooperation mit der Initiative „Aktion Morgentau“ sowie Therapeuten und Fachleuten ein Film entstehen, der das Thema Stottern im Alter näher beleuchtet. Für alle Menschen, die mit jungen wie alten Senioren beruflich oder privat zu tun haben, klärt dieser Film über Stottern auf und zeigt Umgangs- und Verhaltensweisen in der Begegnung mit stotternden Menschen. Das Projekt wird mit ca. 32.000 € finanziell gefördert.


Zitat und Kontakt hier.

Ob Andreas Dresen hier auch mitmacht? Hat die Generation 66plus nicht nur das bessere Liebesleben, sondern auch den gelasseneren Sprachfehler?

Viele ältere Stotternde sagen, dass das Stottern im Lauf der Jahre an Bedeutung verliert. Die beste Therapie also: das Älterwerden?

Reach Out - Olomouc

Reach Out: So nennt sich eine Initiative der International Stuttering Association. Ausstrecken will sich der Dachverband damit nach Stotterern, die in Ländern ohne eigene oder ohne sonderlich aktive Selbsthilfe-Organisation leben. Tschechien und die Slowakei gehören dazu. In Tschechien existiert seit 1998 der Verein Balbus o.s., der allerdings eher informell agiert und bis heute von wenigen Personen getragen wird.

Vergangenes Wochenende fand auf Initiative zweier langjähriger Aktiver ein Workshop in Olomouc statt: Eine Schauspielerin, die Stimm- und Sprechunterricht anbietet, stellte ihre Methoden vor. Dadurch, dass auch Frau Alena Peutelschmiedova, Dozentin für Logopädie an der Pädagogischen Fakultät Olomouc und Gründerin der Balbus o.s., an der Veranstaltung teilnahm, konnten einige fälschliche Darstellungen korrigiert werden. Insbesondere irritierte die Ansicht der Workshop-Leiterin, Stottern könne mit einer verbesserten Atmung begegnet werden. Del Ferro auf tschechisch?

In Deutschland ist die Del Ferro-Methode umstritten, in Tschechien als solche noch gar nicht bekannt, jedoch die zugrundeliegende Annahme einer falschen Atmung immer noch weit verbreitet. Nicht nur von wohlmeinenden Bekannten müssen sich Stotternde immer wieder den Rat anhören: Atme ruhig! Die meisten tschechischen Logopäden setzen bei der Atmung an, auch wenn etwa ein stotternder Musiker Hilfe sucht, der Fagott spielt und somit längst "richtig" atmet...

Donnerstag, 30. April 2009

Stottern - Ein Hybrid?

Tom Weidigs aktuelle Ansicht zur Ursache des Stotterns:

I am going to shock my readers now, but I believe that stuttering is not just a brain disorder but also a behavioural disorder. The underlying cause is a brain abnormality leading to instable speech which then leads to association between stuttering and words, situations or people. And these associations can trigger stuttering without there being a neurological issue at that very instance. So 90% of your stuttering events might well NOT be of a neurological cause but you stutter because one of your associations have been triggered by a word, event or situation leading the brain to execute stuttering. I believe more and more that stuttering is a hybrid disorder.


Das Wichtigste sinngemäß ins Deutsche übersetzt: Stottern sei eine hybride Störung, beeinflusst durch Funktionsstörungen im Gehirn und anschließende Lernprozesse. Die Wechselwirkung lässt sich folgendermaßen beschreiben: A) Abnormes Sprechen tritt auf, bedingt durch Prozesse im Gehirn. B) Die Stotternde stellt eine Verbindung her zwischen diesem abnormen Sprechen und Wörtern, Situationen oder Personen, bei denen das Stottern auftritt. C) Die Funktionsstörungen im Gehirn, die das Stottern hervorrufen, verfestigen sich.

An sich eine treffende Erklärung, die die Diskussion über ENTWEDER Psyche/Erlernt ODER Physis/Gene beendet und zum Teil auch konform geht mit allgemeinen Erkenntnissen über die Entwicklung des Gehirns, wie sie z.B. Harald Welzer 2002 zusammenfasste. Mir fehlt bei Toms Logik allerdings ein Kettenglied zwischen A und B. Automatisch lernt sich diese Verbindung nicht, mit Harald Welzer gesprochen ist das, worauf es ankommt, die Kommunikation innerhalb der Gemeinschaft, in der die Stotternde aufwächst.

Ich selber finde diese verbreitete Erklärung plausibel: Ein Kind zeigt im Verlauf seiner Sprachentwicklung Unflüssigkeiten. Ob sein Gehirn jedoch dauerhaft Vernetzungen ausbildet, die zum Stottern führen, ist allein von den Reaktionen des sozialen Umfelds abhängig